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Geführt wurde das Interview mit Alex Kreuzkam, Leiter des Einkaufs von Oberland im Januar 1998 und wurde in der NoCover 48 des APC&TCP veröffentlicht.

Interview: Oberland

Die Zeiten, in denen Oberland noch Amiga Oberland hieß, sind ja seit längerem vorbei. Heutzutage bedienen Sie sowohl die Amiga- wie auch die PC- und PSX-Klientel.

PSX und PC haben wir seit ca. 1,5 Jahren im Programm. Da viele Kunden neben Ihrem Amiga auch einen PC oder eine Playstation besitzen hat sich das angeboten (eben alles aus einer Hand). Außerdem wurden diese Systeme zu einer Zeit ins Programm aufgenommen als die Zukunft des Amiga vollkommen ungewiß war, und nur Abwarten und auf das Beste hoffen wäre einfach ein zu großes Risiko gewesen, schließlich hängen am Umsatz auch Arbeitsplätze und Existenzen.

Angesichts der Übermacht der PSX und des PCs im Spielesektor fragt man sich: verkaufen sich Amigaspiele überhaupt noch? Gerade Sie, als feste Größe in der Verkaufslandschaft, sollten darüber doch eine objektive Aussage treffen können.

Sehr gut sogar zur Zeit. In diesen Tagen erscheinen ja laufend neue und gute Spiele für Amiga, aber auch die alten Klassiker wie z.B. Colonization laufen sehr gut. Vor ca. 1 Jahr war das noch anders, da erschien ja auch so gut wie nichts neues, dementsprechend niedrig waren damals auch die Spieleverkäufe.

Wie ist das Verhältnis verkaufter Amiga-/PSX-/PC-Spiele?

Im PC-Bereich machen wir (außer für Reflections) ja kaum Werbung. Die Spiele werden über Internet angeboten, bzw. von Amigakunden, die auch noch einen PC oder eine Playstation haben, einfach mal mitbestellt. Es sind so zirka 70 % Amiga, 20 % Playstation und 10 % PC.

Das Spiel Myst wird allerorten zum letzten Hoffnungsträger des Amigas als Spieleplattform hochstilisiert. Zum Licht am Ende eines langen, dunklen Tunnels. Auch und vor allem durch ClickBoom.

Myst ist der Renner überhaupt. Das erinnert mich an Zeiten wie vor 5 Jahren, wo es noch normal war ein paar hundert Stück eines Amiga Spiels zu verkaufen. Bis jetzt (Mitte Januar) haben wir so ungefähr 300 Myst verkauft.

Ist diese Anzahl, für Amigaspiele, herausragend oder doch sympthomatisch?

Herausragend, so eine Nachfrage, auch bei den Vorbestellungen, gab es schon ewig nicht mehr.

Böse Zungen behaupten immer wieder, der Amiga sei als System tot, da helfen auch die Reanimationsbemühungen seitens Amiga International, Inc. wenig. Was halten Sie von dieser Behauptung?

Nichts. Der Amiga ist ein fantastisches Computersystem. Es wäre allerdings dringend an der Zeit das Betriebssystem auf den neuesten Stand zu bringen. Wir hoffen das AI bei der geplanten 3.5 Release Internet/Online und moderne Netzwerktools standardmäßig integriert. Auch ein standartmäßiger Filemanager wie z.B. DirOpus wäre schön.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der Lizensierungspolitik seitens AI?

Das kann nur positives bedeuten. Je mehr Leute und Firmen etwas für den Amiga entwickeln, desto besser, das dient nur der weiteren Verbreitung. Nehmen wir nur das Beispiel Video 2000 - eindeutig besser als VHS, ist aber ausgestorben weil die Entwicklerfirmen den ganzen Kuchen für sich alleine haben wollten. Aber natürlich erwarten die Anwender, und auch wir, das bald auch mal etwas neues von AI selbst erscheint. Ein ganz neuer Amiga von AI, mit neuen Custom Chips und PPC würde dem Markt sicherlich den entscheidenden Push geben.

Erst gab es die A1300/ A1400/ A1500 nun gesellten sich u.a. die "neuen" A5000 und A6000 hinzu. Sie selbst stellen die O/Box her - ein professionelles High-End-System.

Die O/Box ist ja kein neuer Amiga im eigentlichen Sinne. Es ist ein A4000 von AI mit Phase 5 PPC Turbokarte, der von uns je nach Kundenwunsch mit Speicher, HD und Grafikkarte optimal konfiguriert und installiert wird. Zielgruppe sind Anwender die auf dem Amiga in einer professionellen Umgebung arbeiten wollen, vor allem im Grafikbereich.

Gibt es überhaupt Bedarf für solch ein, zugegebenermaßen, Luxusgerät?

Zugegeben, solche High-End Systeme werden zur Zeit nicht von vielen gekauft. Die Leute erzählen uns das sie zwar gerne mit Amiga arbeiten und auch Geld investieren würden, sind aber auf der anderen Seite Angesichts der 2 Amiga Pleiten verunsichert darüber wie es mit dem Amiga weitergeht. Hier ist AI mit Neuentwicklungen gefragt. Die Leute wollen sehen daß es aufwärts geht.

Sie, als Bindeglied zwischen Endkunde und Hersteller: läßt sich, allgemein, ein Aufschwung im Bereich Amiga seit der Übernahme durch Gateway 2000 feststellen? Immerhin sollte die allseits beschworene "Unsicherheit des Kunden über die Zukunft seines Systems" durch die Übernahme verschwunden sein.

Ein Aufschwung ist auf jeden Fall zu spüren. Unsicherheit, ob denn nun auch wirklich Seitens AI weiterentwickelt wird, herrscht aber immer noch in der Amiga Gemeinde, denn leere Worte und große Sprüche gab es schon zur genüge.

Sind Amigacomputer - egal ob A1200 / A4000 oder die "neuen" Klone - nicht generell zu teuer? Wer wird schon 2000 DM für einen A4000 (Technik Stand 1993) ausgeben, wenn man für das gleiche Geld einen P200 MMX Komplettsystem erhält?

Das ist eins der Hauptprobleme. AI hat zwar die Preise etwas gesenkt, aber auch mit den momentanen Preisen kann man kaum Neukäufer locken. Die A1200/4000 verkaufen sich zur Zeit zwar erstaunlich gut, nur haben die meisten Käufer schon einen alten Amiga 500 oder 2000, wechseln also praktisch nur ihr altes System aus. Wirkliche Neukäufer, die noch nie etwas mit Amiga zu tun hatten gibt es nur wenige. Von AI wird ja auch bis jetzt leider keinerlei Werbung gemacht.

Oberland kümmert sich in Deutschland um die Produkte FinalWriter, Reflections und Wildfire. Inwieweit haben Sie Einfluß auf künftige Programmversionen?

Dazu noch Image FX (in Kürze erscheint die brandneue Version 3.0) und Aladdin, für die beiden Programme haben wir seit kurzem den deutschen Exklusiv-Vertrieb, SiSys 2.5 RTG, Technosound Turbo II, Make CD, alle anderen Softwood Produkte und noch ein paar andere. Den meisten Einfluß haben wir auf Reflections, da das Progarmm bei uns im Hause entwickelt wird. Aber auch die Programmierer von Wildfire oder Make CD sind natürlich für jede Anregung dankbar und versuchen ihr Bestes um die oftmals sehr guten Ideen der Anwender umzusetzen.

Stichwort Reflections: im Gegensatz zu Software anderer Bereiche ist der Amiga mit Raytracern geradezu übersättigt. Imagine, Cinema4D, Lightwave - und jetzt auch noch Tornado. Allesamt Produkte auf hohem Niveau. Zum Glück für den Käufer, denn egal für welchen Raytracer er sich entscheidet: viel kann er nicht falsch machen. Doch das Glück des Käufers ist das Leidwesen des Herstellers. Um auf dem hartumkämften Markt zu bestehen muß "sein" Raytracer der Konkurenz immer einen Schritt voraus sein. Denn klar ist: sollte sich der Kunde einmal für einen (doch recht teuren) Raytracer entschieden haben, so wird er so schnell nicht auf einen anderen umsteigen. Wieso gebührt - ihrer Meinung nach - Reflections die Krone auf dem Markt, wieso ist Reflections die richtige Entscheidung für den Kunden?

Reflections ist meines Wissens (außer Tornado) der einzige Raytracer auf dem Amiga der wirklich noch weiterentwickelt wird, und von seiner Leistungsfähigkeit her muß es sich hinter so manchem weitaus teurerem Programm auch nicht verstecken. Ein wichtiger Punkt ist auch die PPC-Version, die nun Anfang März endlich fertig ist. Die Leistungsfähigkeit wird ständig durch regelmäßige Updates erweitert, es gibt Unmengen von qualitativ hochwertigen Zusatz CD´s, Bücher, diverse User Clubs etc. Zudem bieten wir auch kostenlosen telefonischen Support für registrierte Anwender.

FinalWriter hat mit Wordworth gerade mal einen ernstzunehmenden Konkurenten auf dem Markt. Beide Produkte haben sich in ihren Leistungen so weit nicht voneinander unterschieden.

Hier entscheidet wohl vor allem der persönliche Geschack. Von den Funktionen gibt es kaum Unterschiede, aber die Oberfläche von FW97 ist moderner gestaltet, es gibt es gedrucktes Handbuch und nicht nur eine Online Hilfe wie bei der Wordsworth CD. Außerdem gibt es natürlich bei FW97 auch noch kostenlosen deutschen Support.

Jetzt hat sich EasyWriter angekündigt. Wenn man sich die versprochenen Leistungen ansieht, muß man sagen, daß - sollten sie alle verwirklicht werden - schon jetzt klar ist, wer in Zukunft die Nummer 1 unter den Textverarbeitungen ist. Daß Finalwriter Defizite im Bereich Fußnoten und Tabellen hat, auch im Vergleich zu WinWord, ist bekannt. Da auch Wordworth diese Probleme hat, gab es bisher keinen Grund - zum Leidwesen der Kunden - in dieser Hinsicht aktiv zu werden.

Das Problem bei den Fußnoten liegt an den amerikanischen Programmierern. In Amerika wird sowas nicht oder kaum gebraucht sagen sie. Wir haben schon desöfteren darum gebeten, bleibt zu hoffen das die Amis irgendwann doch noch was in dieser Hinsicht verändern. Ansonsten schweigt sich Softwood über die Leistungen und Veränderungen in zukünftigen Final Writer Versionen bis jetzt noch aus.

Wenn man sich die O/Box, Reflections oder auch Wildfire ansieht, wird einem klar, daß Oberland - als Hersteller - auf PPC setzt. Anfangs gab es ja Lieferengpässe seitens Phase5, aber nun kommt das Geschäft mit den PPC-Karten langsam in die Gänge.

Die PPC Karten verkaufen sich sehr gut. Natürlich könnten es noch mehr sein, aber eigentlich sind wir ganz zufrieden. Und wenn im März (wenn denn P5 liefert) endlich die A1200/2000 Karten lieferbar sind kommen ja noch einige Amiga PPC Anwender hinzu. Und je mehr Karten verkauft werden, desto mehr Hersteller werden sich auch entscheiden Software für den PPC zu portieren. Das ist zwar ein Teufelskreis, denn andererseits warten natürlich viele Anwender erstmal auf das Erscheinen von neuer PPC Software. Softwareentwicklung kostet jedoch eine ganze Stange Geld, und bevor eine bestimmte Basis von installierten PPC Systemen vorhanden ist (mit der entsprechend großen potentiellen Käuferschicht) scheuen viele Hersteller einfach das Risiko mit ihrer neuen Software eventuell baden zu gehen. Hier könnte z.B. auch AI mit Sponsoring, Werbekostenzuschüssen etc. helfen.

Die Zukunft des Amigas kann nur im Bereich PPC liegen?

Ein klares und eindeutiges JA!

Gerade wurde das Amiga Magazin aufgegeben, bzw. zur Beilage der PCGo! wegrationalisiert. Und das auch nur für Abonennten. Wenn man der sogenannten "Argumentation" der Redaktion folgt, dann ist der Amiga bereits tot und all die Neuerscheinungen und der sich abzeichnende Aufschwung an Softwarenachschub eine Illusion.

Es ist sicherlich schade daß das ehemals beste Amiga Magazin sich so zum negativen gewandelt hat. Wir machen in diesem Blättchen auf jeden Fall keine Werbung mehr, ich denke die meisten anderen Amiga Firmen werden das gleiche tun. Da das Magazin wahrscheinlich inzwischen so gut wie gar keine Abonnementen mehr hat, wird es wohl in ein paar Monaten ganz verschwunden sein.
Zur Redaktion: Gegen eine kritische Stellungnahme zur momentanen Lage der Amiganation hätte niemand etwas gehabt, man muß schließlich auch nicht gleich alles was mit Amiga zu tun hat in den Himmel loben, aber das Editorial in 1/98 war natürlich für jeden Amiga-User ein Schlag ins Gesicht, damit hat sich das Amiga Magazin als Zeitschrift für Amigafans selbst disqualifiziert.

Laut Amigamagazin ist der Amiga bereits tot - die Verkaufszahlen sinken in allen Bereichen. Wie lange bleiben Sie noch im Amigasektor aktiv?

Im Gegenteil, nach einer langen Durststrecke geht es jetzt langsam wieder aufwärts. Wir bleiben dem Amigasektor auf jeden Fall erhalten.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ein modernes Amiga OS auf PPC-Basis.

Gibt es etwas, daß Sie den Lesern der NoCover mitteilen wollen?

Alles Gute für die Zukunft.

Ich wünsche Oberland Computer alles Gute für die Zukunft und bedanke mich für das Interview.

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Stand: 19.12.2014